Ägypten

Eine Sternstunde der Archäologie

Seit sechs Jahren hatte Howard Carter versucht im Tal der Könige das Grab des Pharaos Tutanchamun zu finden. Aber wo er auch suchte, fand er nur leere Kammern. Grabräuber hatten schon vor 3000 Jahren alles mitgehen lassen, was den Königen das Leben im Jenseits verschönern sollte.

Am 22. Oktober 1922 startete Carter in Luxor, 700 km südlich von Kairo, seinen sechsten Versuch, das Pharaonengrab zu finden. Es war seine letzte Chance, denn seinem Geldgeber, dem englischen Earl of Carnarvon, war endgültig die Lust vergangen, weiterhin Unsummen für das Hirngespinst seines Freundes auszugeben.

Als Carter am Morgen des 4. November 1922 zum Grabungsplatz kam, wunderte er sich, dass niemand arbeitete. Der ägyptische Vorarbeiter schritt auf ihn zu und verkündete mit feierlicher Stimme: „Chef, wir haben eine Treppenstufe freigelegt. Sollen wir weitergraben?" - Und ob sie sollten! Schnell waren 16 Stufen freigelegt, und dann stand Carter vor einer Steintür mit einem Siegel der Verwaltung der Königsfriedhöfe aus der 18. Dynastie. Dies bedeutete, dass sich hier ein Grab befand, das seit über 3000 Jahren nicht geöffnet worden war.

Sofort telegraphierte Carter an Carnarvon, denn ohne seinen großzügigen Sponsor wollte er nichts weiter unternehmen. Der Lord machte sich unverzüglich auf den Weg, und am 25. November war es soweit:

Carter durchstieß mit einer Eisenstange die Steintür des Königsgrabes. Heiße Luft, die drei Jahrtausende nicht entweichen konnte, schoss ihm wie ein Gasstoß ins Gesicht. Mit zitternden Händen hielt Carter eine flackernde Kerze ins Innere und schaute durch die Öffnung. Carnarvon fragte aus dem Hintergrund: „Can you see anything?" Und Carter antwortete: „Yes, wonderful things". Ich sehe wunderbare Dinge.

Nach und nach wurden die Türsteine abgetragen, und vor den Augen der Archäologen türmten sich goldverzierte Möbel, Statuen, Geräte und kunstvolle Vasen.

Wochenlang waren Carter und seine Helfer damit beschäftigt, all die Kostbarkeiten zu sichten und zu bergen. Nach drei Monaten wurde die eigentliche Grabkammer eröffnet. Hier ruhte seit über 3000 Jahren die Mumie des Pharaos Tutanchamun. Vier Schreine aus vergoldetem Holz umschlossen einen Steinsarg, in dem sich nochmals drei ineinandergesetzte Särge in Mumienform befanden. Der dritte Sarg bestand aus purem Gold und wog 225 Kilogramm. Er barg den einbalsamierten König, dessen Gesicht und Brust mit einer Goldmaske abgedeckt war.

Durch diesen sensationellen Fund gelangte Tutanchamun zweifellos zu größerer Berühmtheit als zu Lebzeiten. Von ihm weiß man, dass er im Kindesalter auf den Thron kam und etwa von 1347 - 1337 v. Chr. Pharao war. Er starb mit 17 Jahren und wurde wahrscheinlich ermordet.